Die international ausgezeichnete Hutdesignerin "Madame Chapeau" habe ich in ihrem Atelier im schleswig-holsteinischen Stockelsdorf besucht.
Heide Tricou, wann wissen Sie, welche Kreation auf den Kopf eines Menschen passt?
Sofort. Kopfform, Frisur und Ausstrahlung sind wichtig. Mir ist es schon ganz oft passiert, dass ich in einer Ausstellung jemanden sehe und denke: Ja, das könnte dieser bestimmte Hut werden. Ich sage dann erst mal nix. Das war erst kürzlich bei einer Kundin so. Sie hat 50 Mützen und Hüte aufgesetzt und dann genau den genommen, den ich im Kopf hatte.
Welchen soll ich mal aufsetzen?
Das rote Barett hier. Ist natürlich sehr auffällig. Steht Ihnen aber toll! (Anmerkung: Den hatte auch ich gleich im Visier und ihn am Ende gekauft...).
Wie sieht es aus mit dem Mut zum Hut?
Nicht so zeigen Mut zum Hut. Ich denke, es liegt daran, dass wir Menschen uns gern uniformieren. Das beobachte ich auch, wenn ich zu Weihnachten in der Lübecker St. Petrikirche ausstelle. Es kommt immer wieder vor, dass eine Dame einen Hut aufsetzt, der super aussieht, und sagt: „Das traue ich mich nicht. Wenn sie den in grau hätten, vielleicht...“ Da bin ich manchmal ganz traurig und antworte: „Warum gucken denn die Menschen? Weil es schön aussieht!“ Ich selbst gehe gern auch ins Theater oder Konzert mit kleinem Hut. „Ist das hübsch“, sagen häufig die Leute. Ich erwidere dann: „Das können Sie doch auch machen.“ Viele Menschen mögen einfach nicht auffallen.
Wie entstehen Ihre Ideen für eine Kreation?
Meine Ideen stecke ich aus Papier zusammen, klebe sie dann mit Tesa fest. Erst wenn mir die Idee gefällt, versuche ich, sie aus Stoff zu realisieren. Manchmal muss ich es wieder ändern, weil mir beim Nähen was Anderes einfällt. Es kann schon sein, dass ich ein Modell in ähnlicher Form wiederhole. Wie dieses rote Barett zum Beispiel. Dann mache noch eines in blau oder weiß. Das sieht dann schon wieder ganz anders aus. Es kommt auch immer darauf an, wie die unterschiedlichen Stoffsorten fallen.
Heide Tricou traf ich in ihrem Atelier in Stockelsdorf. Die Mutter eines erwachsenen Sohnes, sie ist seit 40 Jahren mit einem Franzosen verheiratet, machte eine Ausbildung zur Schneiderin und war einige Jahre bei dem Lübecker Modeschöpfer Charles Ritter angestellt, der auch mit Pierre Balmain in Paris zusammenarbeitete. Sie machte ihren Meister und startete später auf Anraten der Unternehmerehefrau Lisa Dräger an der Familienbildungsstätte Nähkurse für Jugendliche. 28 Jahre lang unterrichtete sie danach Kunst und textiles Werken an einem Bad Schwartauer Gymnasium. Für den Weihnachtsbasar fertigte sie mit ihren Schülern aus Plastiktischdecken blaue, gelbe und rote Regenhüte. Der große Erfolg motivierte sie, sich an andere Stoffe zu wagen, wie Musterteile von Möbelbezügen und Tischdecken. 500 unterschiedliche Hutmodelle hat Heide Tricou bis heute in ihrem Atelier in Stockelsdorf entwickelt.
Heide Tricou
Madame Chapeau Hutkreationen
Stockelsdorf
0451/4992531
Wie lassen Sie sich inspirieren?
Ich sehe den Stoff und habe sofort die Idee. In der Ausbildung geht man ja viel mit Stoffen um. Ich arbeite gern mit Wolle, Merinowolle, Merinovlies, Walk und Dekostoffen.
Erzählen Sie uns von Ihrer Teilnahme an internationalen Ausstellungen.
„Flora und Fauna“ war ein Thema bei dem französischen Hut-Wettbewerb 2011 im französischen Chazelles. Er steht unter der Schirmherrschaft von Jean-Paul Gaultier. 200 Hutmacher weltweit nehmen daran teilnehmen. Am Strand fand ich dafür ein Stückchen Blasentang, das fühlt sich an wie ein beweglicher Stock. Dann habe ich mich an den Hut gemacht und den Blasentang, ein großes Auge haltend, darauf platziert. Das sollte dem Träger einen symbolischen Blick jenseits des Horizonts ermöglichen. Es gab zwar keinen Preis, aber immerhin schaffte es das Modell als eines von 40 in die choreographierte Modenschau.
Im italienischen Mailand gewann ich 2009 den ersten Preis mit einem schwarzen großen Hut im Carmenstil samt roter Blume in der Mitte und Tentakeln aus Perlen. 2010 noch einmal mit einem Goldhelm samt Goldrad aus Seide, umgeben von Perlen. Beide sind im dortigen Hut-Museum geblieben.
Wie lange arbeiten Sie an einem Hut?
Für die internationalen Wettbewerbe arbeite ich manchmal 20 Stunden, nicht durchgängig. Das ist, als wenn man ein Bild zu malt. Man fügt was hinzu, verändert was. Wenn ich für eine Ausstellung arbeite, benötige ich rund 12 Stunden für ein neues Modell. 30 neue Kreationen und fast 100 Hüte nehme ich dann mit dorthin. Sie verkaufen sich jedes Mal gut.
Wo kann man Ihre Kreationen kaufen?
Ich bin ja viel auf Märkten, wie dem erwähnten in der Lübecker St. Petrikirche. Hier habe ich viele Stammkunden gewinnen können. Erst kürzlich kam ein dänisches Ehepaar zu mir ins Atelier nach Stockelsdorf. Die Dame hatte meine Karte mitgenommen und wünschte sich zum Geburtstag einen Hut von mir. So gibt es auch Leute, die mit ihrem Outfit zu mir kommen und sich einen Hut dazu kreieren lassen. Oder mit einem gekürzten Hochzeitskleid, aus dessen Resten sie sich etwas Hübsches fürs Haar fertigen.
Für wen aus Politik oder Gesellschaft würden Sie gern mal einen Hut kreieren?
Für unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ganz schlicht gearbeitet. Ich habe ihr schon mal eine E-Mail geschrieben. Noch hat sie nicht geantwortet...
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